D.B. Blettenberg: Land der guten Hoffnung

knvmmdb-63.dll„Hügelige Felder zogen sich wie ein goldgelbes Wellenmeer bis zum Horizont. Man ahnte die unermessliche Weite Südafrikas. Eine Weite, die alles aufsog, was sich in ihr bewegte. Die Sonne stand hoch im blassblauen, wolkenlosen Himmel und brannte die Erde unter sich mürbe.“

Das sind denkbar ungünstige Bedingungen, um jemanden aufzuspüren, im Western Cape, dem westlichen Zipfel von Süd-Afrika. Genau das aber ist die Aufgabe von Helm Tempow, dem Ich-Erzähler von Detlef B. Blettenbergs neuem Roman „Land der guten Hoffnung“. Der in Berlin lebende Autor ist literarisch, wie privat ein Weltenbummler, allerdings einer, der gerne verweilt. Schließlich arbeitete er im Brotberuf über zwanzig Jahre für den Deutschen Entwicklungsdienst in Ecuador, Nicaragua oder Thailand, Länder, in denen auch seine Romane spielen. Er ist mit seinen Schauplätzen vertraut und versteht sich darauf, packende Geschichten zu erzählen. Dafür erhielt er in den vergangenen 20 Jahren gleich drei Mal den Deutschen Krimipreis, zuletzt 2004.

In der Entwicklungshilfe war auch der Erzähler Helm Tempow tätig, bevor er den Job an den Nagel hängte und eine Art Privatermittler wurde. Seither sucht und findet er Verschwundene. „Früher oder später“, sagt Tempow, „spüre ich sie alle auf“. Diesmal soll er für einen betuchten Hanseaten in Süd-Afrika einen Mann ausfindig machen, der vor Jahren am Kidnapping seiner Tochter in Hamburg beteiligt war. Er kaufte sie damals frei, doch wurden die Täter nie gefasst. Das will er keinesfalls auf sich beruhen lassen.

Tempow macht sich auf die Suche und wird schnell fündig. Noch schneller allerdings verkompliziert sich der Fall, als mit Rena Carstens das Entführungsopfer von damals auftaucht und ein Kontaktmann ermordet wird. Rena, so stellt sich heraus, erlag damals dem Stockholm-Syndrom, verliebte sich in einen der Entführer und bekam ein Kind. Dessen Vater will sie nun wiederfinden. Allein: Der von Tempow Gesuchte ist es nicht und spätestens hier geht dem Ermittler, der mit jedem Tag mehr seine Professionalität aufs Spiel setzt, die komplexe politische Verflechtung des Falles auf.

Nahezu jeder mit dem er zu tun bekommt, hat sich an den politischen Kämpfen zu Zeiten der Apartheid beteiligt, arbeitete für oder gegen das rassistische Regime, stand Nelson Mandelas African National Congress, dem ANC oder dem Regierungslager nahe und mancher engagierte sich in den jeweils nicht zimperlich vorgehenden Geheimdiensten und militärischen Flügeln. In Blettenbergs Roman sind die Verflechtungen zwischen gestern und heute, aber auch zwischen Süd-Afrika und Deutschland eng. Die Kämpen von damals haben sich gut ins neue System integriert, sitzen fest im Sattel und nutzen ihre Verbindungen, um international Geschäfte zu machen.

„Sie sahen sich alle und immer als die guten Feuerwehrmänner, egal auf welcher Seite sie standen“, lässt Blettenberg seinen Erzähler ressümieren. Ein Undercover-Agent wird noch deutlicher: „Das politische Klima schlägt manchmal schneller um, als man denkt und plötzlich steht man wieder alleine im Regen. Meinungen ändern sich. Leute verlieren ihren Biss. Dinge, die alle gewollt haben, sind plötzlich nicht mehr opportun. Zu oft ist das Gesetz auf der Seite der Macht und nicht auf der Seite der Wahrheit.“ Fast unnötig zu erwähnen, dass Blettenbergs Geschichten stets bestens recherchiert sind. Im Vorwort seines vergriffenen Reportagebandes formulierte er das so: „Tatsachen geben jedem Märchen ein starkes Rückgrat.“

Anders als in seinen früheren Romanen, ist „Land der guten Hoffnung“ sehr stringent erzählt, gerät immer wieder an Punkte, von denen aus der weitere Verlauf fast absehbar ist. Und doch versteht es der 1949 geborene Autor, die Spannung zu halten und weiß zu überraschen. Seine Figuren sind echt. Die Landschaft des Western Cape, in dem Tempow sich zu Capetown-Jazz und den Songs Roy Orbisons bewegt, ist samt seinen Bewohnern greifbar und damit deutlich mehr als bloßes Lokalkolorit. Zu eng ist bei Blettenberg alles verschnürt, hängen politisches und persönliches Schicksal der Figuren zusammen. „Wer nichts erlebt“, sagte Blettenberg einmal in einem Interview, „hat auch nichts zu erzählen.“ Einer wie er darf das ruhigen Gewissens sagen

D.B. Blettenberg: Land der guten Hoffnung. 287 Seiten, Pendragon-Verlag, 10.95 Euro.

(c) Frank Rumpel

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