Manfred Wieninger: Kalte Monde

knvmmdb-107.dllDas österreichische Harland ist ein düsterer Flecken Erde, geprägt von der latenten oder offen zur Schau getragenen braunen Gesinnung seiner Bewohner, gekoppelt mit Xenophobie und Gewaltbereitschaft in bester Wild-West-Manier. Auch die Polizei mischt da mit. Das ist ganz grob das von Manfred Wieninger mit dicken Strichen überzeichnete Einsatzgebiet des Detektivs Marek Miert, der in diesem Landstrich großmäulig und couragiert gegen Fremdenfeindlichkeit, für die gute Sache und selbst immer wieder ums Überleben kämpft.

In Wieningers neuem, mittlerweile vierten Roman lässt sich der Detektiv Marek Miert aus Geldnot als Aufpasser für einen Politiker engagieren, findet aber schnell heraus, dass der ein brauner Hetzer und er selbst ein Publicity-Gag ist. Denn das Leben des Politikers ist keineswegs in Gefahr. Das merkt Miert, als er eine Bombenattrappe aus Seife entschärft – „weltweit die erste Autobombe mit Tannennadelduft“.

Gleichzeitig soll er eine, anscheinend millionschwere Katze finden und für eine alte Kommunistin den verschollenen Bruder aufspüren. Beides Fälle, in denen er fast nichts erreicht. Im Fall der Kommunistin lässt er immerhin die hochgradig kriminelle Verwaltung eines Altenheims auffliegen – für die Frau allerdings zu spät. Zu allem Überfluss wird er dann auch noch von einem Rechtsanwalt engagiert, der anscheinend gegen seinen ehemaligen Chef bei der Polizei ermittelt. Ein Spitzel bei den Behörden soll ihm helfen, doch läuft innerhalb kürzester Zeit alles aus dem Ruder. Fast zu spät merkt Miert, dass er wieder nur eine Rolle spielt.
Es sind etliche „Kalte Monde“, in deren Umlaufbahn sich Miert tummelt und das ist auch das Problem des Romans. Denn diesmal ist’s von allem ein bisschen zu viel. Die Geschichte findet nicht so recht zu sich selbst, ist in ihren Einzelepisoden zwar spannend und unterhaltsam, aber die Verbindung zu einem Ganzen will nicht recht gelingen. Da hätte man sich als Leser doch manches enger verzahnt und weniger geschwätzig gewünscht.

Wobei es nicht zuletzt gerade die Geschwätzigkeit ist, die Wieningers Bücher so lesenswert machen. Denn die Fälle sind längst nicht alles. Wieninger lässt seinen Detektiv wie immer munter und wortgewaltig, gelegentlich auch knapp am Klischee vorbei schrammend schwadronieren: über Pferdeleberkäse-Semmeln, seine missliche Lage als „Diskont-Detektiv“ und die Schlechtigkeit der Welt im Allgemeinen. Dabei geht er gerne mit der Brechstange vor. Pinzette und Tupfer gehören nicht zu seinen bevorzugten Werkzeugen.
Die Personenbeschreibungen Wieningers sind gnadenlos. Daran scheint er seine helle Freude zu haben: Da kommt ein Mann aus einem Gasthaus gestürzt, „wie eine hyperaktive Leberwurst. Er hatte schnapshelle Augen, die ins Leere zu starren schienen oder in die simple Welt eines Imbezilen. Er wirkte aufgeschwemmt, wie eine Salatgurke, die Monate, wenn nicht Jahre im Essigwasser gelegen hatte.“
Seinen Job nimmt Miert ganz pragmatisch, „keine silberne Smith & Wesson, keine Boden-Luft-Raketen und kein Spezialkarate-Training. Alles Schmonzes! Ein Detektiv ist einfach einer, der sich einmischt. Nichts weiter.“
Wieninger langt einfach herzhaft zu. Auf die Frage, wie war ihr Tag, lässt er Miert schon mal sagen: „Wie ein aufgebrochenes Magengeschwür“. So schön grantelt selten einer, inmitten einer düsteren, kurz vor dem Abgrund stehenden Zivilisation. Trotz einer etwas ausgefransten Geschichte eine herrlich fidele Apokalypse.

Manfred Wieninger: Kalte Monde. 237 Seiten, Haymon-Verlag, 17,90 Euro. Taschenbuch: Unionsverlag, 8,90 Euro.

(c) Frank Rumpel

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